Solly & Sons

Die Firma ‘Solly & Sons’ wurde von Isaac Solly I in London gegründet. Sie war im sogenannten ‘Baltischen Handel’ tätig. Man importierte Waren aus dem Ostseeraum nach England. Der Schwerpunkt bildete der Holzhandel, daneben bot man Getreide und Kolonialwaren an. Das Geschäft lief hervorragend und schon bald hatte man eigene Schiffe. Als die nächste Generation übernahm, war ‘Solly & Sons’ schon mit einer eigenen Handelsflotte ausgestattet.

Schon der Großvater, John Solly, war ein Tuchhändler in Kent. Der Vater, Richard Solly, zog nach London und begann den Handel im größeren Umfang. Seine Lieferanten saßen in Barbados und New England. Gut möglich, dass er Zuckerrohr importierte. Ein Geschäft, das bis ins frühe 19. Jahrhundert zu den lukrativsten zählte. Als aber 1807 die Sklaverei verboten wurde, brach auch der Handel mit dem begehrten Rohrzucker zusammen.

Zeitlich hätte Isaac Solly II das Geschäftsfeld seines Vaters fortsetzen können, aber er entschied sich anders. Statt sich an Platzgenbesitz in der Karibik zu beteiligen, wählte er den Ostseeraum. Ob es eine bewusste Ablehnung der Sklaverei war, weiß ich nicht, aber es war eine gute Entscheidung, in jeder Hinsicht. Mit der Firma und ging es steil bergauf.

 

ISAAC SOLLY FAMILY

 

Grafik: Brigitte Peters

 

Als Isaac I starb, war er 77 Jahre alt. Seine Söhne waren erwachsen und längst Teilhaber geworden. Der älteste, mit gleichen Namen wie der Vater, übernahm die Londoner Zentrale. Sein Bruder Thomas ist stets an seiner Seite. Aber auch die jüngeren Geschwister Edward und Hollis wurden Teilhaber. Nur Samuel war anderer Natur. Er hatte sich von seinem Anteil Grundbesitz in Lincolnshire gekauft und genoss das Leben eines wohlhabenden ‘country gentleman’.

Edward Solly kam eine besondere Rolle zu. Er sollte das Familienunternehmen in Preußen vertreten. Er wurde gleich nach Schulabschluss, im Alter von 15 Jahren, fortgeschickt. Die Eltern hatten gute Freunde in Danzig, die selbst im Ostseehandel tätig waren, und dort verbrachte der junge Mann die nächsten Jahre. Später ließ er sich in Berlin nieder. Er lernte das Kaufmannsgeschäft von der Pike auf und knüpfte sich sein gesellschaftliches Beziehungsnetz, das für den Erfolg immens wichtig war. Viele Kontakte wurden zu engen Freunden. Darunter waren Männer in höchsten Positionen am preußischen Hof. Selbst der Thronfolger, der spätere König Friedrich Wilhelm III., gehörte zu den Männern, die Edward regelmäßig traf. Später, als Friedrich Wilhelm selbst auf dem Thron saß, sprach er gerne über „… seinen Solly“. Ein Zeichen der Nähe und Vertrautheit. Jahre später wird er ihm den Rettungsanker zuwerfen, als Edward völlig pleite ist. Es geht um riesige Summen, die er im letzten Moment nur noch durch den Verkauf seiner beachtlichen Gemäldesammlung aufbringen kann. Käufer ist der preußische Staat und der König selbst greift dabei tief in die Schatulle. Wer weiß, wo Edward sonst gelandet wäre? Heute kann man seine Bilder in der preußischen Nationalgalerie in Berlin bestaunen, denn die wurde nach diesem Erwerb ins Leben gerufen.

Nur ein Jahr nach dem Tod des Firmengründers Isaac zogen tiefdunkle Wolken am europäischen Himmel auf. Napoleon hatte sich mit seinen Truppen auf den Weg gemacht, um sein Machtgebiet bis Moskau auszuweiten. Der Erzfeind war England und deshalb verhängte der Franzose eine strikte Handelssperre. Kein Schiff durfte England mit Waren versorgen und Handelsgüter von dort exportieren. Die Kontrolle war schwierig, denn das Seegebiet ist groß, aber die Dänen halfen, indem sie im Kattegat fremde Handelsschiffe stoppten und durchsuchten. Wer erwischt wurde, musste mit dem Schlimmsten rechnen. Edward erlebte es, als gleich 20 seiner Schiffe entdeckt und an die Ankerkette gelegt wurden. Er sah die Schiffe nie wieder und die Ladung war natürlich auch verloren. Ein enormer Verlust, der ihn schließlich in den Bankrott trieb.

Vorher allerdings verdienten die Brüder ein Vermögen. Das Risiko war hoch, aber der Gewinn noch höher. Man unterlief immer wieder die verhängte Sperre und lieferte England das dringend benötigte Bauholz. Der Empfänger war ausgerechnet die Britische Navy, die die Eichenstämme zum Bau ihrer Kriegsschiffe brauchten. Sie zahlten jeden Preis. Solly nutzte die Gelegenheit und lieferte auch noch den Hanf, der fürs Abdichten des Rumpfes unverzichtbar war. Die Napoleonische Besatzungszeit von 1803 bis 1815 muss eine wilde Epoche für die ‘Baltic Merchants’ gewesen sein.

Die Firma hatte ihren Stammsitz in der Londoner City, in der Straße St Mary Axe. Wir kennen diese Adresse, denn dort steht heute das weltbekannte Hochhaus von Sir Norman Foster. Der verglaste Kegel, mit Rautenmuster, von den Londonern liebevoll ‘The Gherkin’ genannt. Also übersetzt, die ‘Gewürzgurke’. Tatsächlich hatte Solly genau an dieser Stelle sein Büro und auch seine Wohnung. Denn genau hier hatte sich das Ostsee-Handelszentrum, genannt ‘Baltic Exchange’, etabliert, das erst in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts weichen musste. Grund war eine Bombe der IRA, die nicht nur das Haus einstürzen ließ, sondern auch einen tiefen Krater in den Boden riss. Zurück blieben nur noch Trümmer, die sich nicht mehr aufbauen ließen. Und so kam es, dass man typisch englisch, die gute Sache an der Katastrophe sah. Man entdeckte nämlich eine prima Baulücke für ein neues Hochhaus. Isaac Solly und seinen Söhnen hätte es wahrscheinlich gefallen. Ihr Firmensitz hat noch immer die volle Aufmerksamkeit, wenn auch kaum jemand die Geschichte dahinter kennt.