Ashhurst, William (1647-1720)

Verwandtschaften sind so eine Sache. Je tiefer man sich in die Vergangenheit gräbt, desto eher stößt man auf einen ‘brauchbaren Knochen’. Sprich einen leibhaftigen Verwandten, wenn auch um einige Ecken und möglicherweise mit nicht ganz legaler Vaterschaft. Aber da bin ich mit mir selbst großzügig und lasse gelten, was irgendwie machbar ist. Schließlich habe ich nur einen ‘echten’ Londoner Vorfahren im Stammbaum und der muss jetzt für alle Verbindungen herhalten. Und er tut es auch, bisher kann ich mich auf ihn und seine verzweigte Verwandtschaft verlassen. Und so finde ich auch diesmal einen direkten Draht zu William Ashhurst, um den es heute geht.

 

Elizabeth Hollis, die Großtante von Edward Solly, war mit William Ashhurst verheiratet. Sein Grovater, mit gleichen Vornamen, war der Lord Mayor of London.

 

Ashhurst war ein Abgeordneter des britischen Parlaments, mit Sitz im House of Commons. Als angesehener Kaufmann kam für ihn natürlich nur die Konservative Partei infrage, damals als Whigs bezeichnet. Seine politische Karriere erreichte mit seiner Wahl zum Lord Mayor of London ihren Höhepunkt. Die Ehre widerfuhr ihm 1693, im Alter von 47 Jahren. Wie noch heute üblich, übte er das Amt nur für ein Jahr aus. Er fuhr vermutlich in derselben goldenen Kutsche zur Vereidigung, die noch heute dafür benutzt wird. Das passiert immer Anfang November und ist ein wahres Volksfest. Durchaus ein Grund in diesem eigentlich trüben Monate einfach mal nach London zu reisen. Ich habe es jedenfalls nicht bereut und freue mich über meine Fotos, die mich daran erinnern.

Williams Vater war ein Tuchhändler (engl.: draper) und hatte eine Schneiderei in der Watling Street. Die liegt gleich neben der St Paul’s Cathedral. Der Sohn lernte beim Vater und erwarb im Alter von 22 Jahren das Bürgerrecht als ‘Freeman of the Merchant Taylor’s Company’. Ich kenne dieses Vorgehen aus Hamburgs Vergangenheit und denke, es war in London nicht anders. Um das Wahlrecht zu bekommen, musste man sich als Bürger qualifizieren. Das heißt, man meldete sich beim zuständigen Amt an, wies ein Mindestalter nach und dass man konstante Einnahmen hatte. Denn wer im Besitz der Bürgerrechte war, war auch steuerpflichtig. Andererseits durfte er sich aber auch selbst zur Wahl stellen und konnte damit Macht und Einfluss gewinnen. Wichtig für alle Kaufleute, die Großes planen.

 

Die Draper’s Hall (Gildehaus der Tuchhändler) existiert noch heute in der City of London. Man nutzt sie inzwischen für Events aller Art. Im 18. Jahrhundert gingen hier die Handelsherren ein und aus, darunter auch Edward Solly. Vielleicht ist er dabei William Ashhurst begegnet oder sie kannten sich sogar.

 

Als sein Vater 1860 starb, war William Ashhurst schon ein vermögender Mann. Er verdiente sein Geld im Tuchhandel, den er bis Nordamerika ausgebaut hatte. Sein Vater hinterließ ihm mehrere Miethäuser und einen stattlichen Landsitz in Essex. Ashhurst fing an, sich politisch zu betätigen und wurde Vorstandsmitglied in verschiedenen Unternehmen.

Er setzte sich im britischen Parlament mit Nachdruck für die Geldmittel zur Fertigstellung der St Paul’s Cathedral ein, die im Großen Brand (1666) zerstört worden war. William Ashhurst war Augenzeuge und hat vermutlich selbst seine Geschäftsräume dabei verloren. Er war auch Zeitzeuge der Pest, die in den beiden Jahren zuvor in London grassierte. Er überstand alles mehr oder weniger schadlos und drei Jahrzehnte später krönte er sein Berufsleben mit der Berufung zum Direktor der Bank of England. Ohne Frage eine große Ehre und Auszeichnung.

Ashhurst war verheiratet und hatte sieben Söhne und vier Töchter. Es scheint, dass er im Laufe seines Lebens zunehmend an Kraft und Energie gewann. Er war bis zu seinem Tod politisch sehr aktiv, kümmerte sich um das Gemeinwohl und übernahm etliche Ehrenämter in der Armee. Kurz vor seinem Tod ernannte man ihn auch noch zum Governor des St Thomas’ Hospitals, das am Südufer der Themse, genau gegenüber vom Westminster Palace zu finden ist. Ein zentral gelegenes Krankenhaus, das noch heute einen erstklassigen Ruf hat. Als der Premierminister Boris Johnson sich mit Corona infiziert hatte und schwer daran erkrankt war, lag er in diesem Hospital auf der Intensivstation (inzwischen ein Neubau). Merkwürdigerweise taucht in meiner ganz privaten Familienrecherche dieses Haus immer wieder auf. Mal hat dort einer als Arzt gearbeitet, mal wurde eine großzügige Spende geleistet. Mir soll es recht sein, solange es kein böses Omen ist. Auf einen Aufenthalt in der Klinik kann ich gut verzichten.

 

Die Throgmorton Street ist so alt wie die City of London. Heute eine eher schmale Gasse, aber mit vielen alten Häusern. Die sind zwar weit jünger als die City, aber ein paar hundert Jahre haben sie bereits erlebt.

 

Ashhurst hat im späteren Leben in einem stattlichen Haus gelebt, das eher eine Burg als ein Schloss war. Der massive Bau erinnert mich an den White Tower of London. Kein Wunder, denn das Haus ‘Hedingham Castle’ ist genauso alt. Es wurde Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut. Vermutlich ohne Fensterglas und ganz sicher ohne Heizung. Hoffentlich wurde das inzwischen nachgerüstet. Wie man in dem Kasten leben kann, ist mir ein Rätsel und deshalb las ich noch einmal nach. Und tatsächlich hatte ich mich geirrt. William hatte zwar die Burg gekauft und zog sich gerne dorthin zurück, aber ein gemütliches Landhaus gehörte auch zu dem Besitz und dort hatte er sein Bett aufgestellt.

Hedigham Castle liegt außerhalb Londons, in Essex. Heute dient das Haus als exklusiver Veranstaltungsort und taucht gelegentlich in Kinofilmen als Kulisse auf. Mit William Ashhurt sind in London einige Orte verbunden, die ich mir merken will: Das Gildehaus in der City of London, der Bread Street Ward mit der Watling Street (nahe St Paul’s Cathedral), die Highgate School und das St Thomas’ Hospital in Westminster.